(als Horacio Stamford)
Ausgabe #01 der Aether Gazette Heftromanserie
Heftroman
Erschienen 27. Dezember 2019
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 42
Erhältlich als eBook & Print-Ausgabe
Kurzbeschreibung:
Kate betreibt einen Dampfflügler Service. Doch sie und Ox, ihr Heizer, warten auf Kundschaft. Eines Tages kommt eine feine Dame und möchte sich transportieren lassen. Bei Kate brechen alle Dämme und als sie dann auch noch von ihrem schärfsten Konkurrenten überholt wird, geht es drunter und drüber.
Die Straßen Berlins waren gut gefüllt an diesem Nachmittag. Überall hörte man die Geräusche von Pferdekutschen, Dampfflügler schwirrten durch die Lüfte und Menschen eilten durch Trassen und Gassen.
Nur an einer Stelle war es ruhig. Dort befand sich der Dampfflügler von Kate. Sie und Ox standen gelangweilt vor ihm herum.
»Ox!«, sagte Kate mit einer herrischen Miene und drehte ihren Kopf zu einem 2,20 Meter großem Mann um, der auf dem Kopf einen Bowler trug.
Der Riese war verwirrt, blickte sich erschrocken um und sah dann Kate an. »Hm?«, fragte er, ohne sich um Worte zu bemühen.
Seine Erscheinung konnte man durchaus als imposant beschreiben. Er trug ein weißes Heizerhemd, das sich im Lauf der Arbeit an vielen Stellen rußgeschwärzt hatte. Die schwere Lederhose mit den typischen Natron-Nieten an den Seiten wurde mit grauen Hosenträgern gehalten.
Und zu guter Letzt hatte er natürlich die von Amts wegen vorgeschriebenen schweren Stiefel angezogen, die vorn mit einer Naht aus Aluminium und Kupfer versehen waren. Dazu besaßen sie, als zusätzliche Sicherheit, Kappen aus Oxydstahl.
Die obligatorische Schweißerbrille hatte er auf die Stirn gesetzt.
»Erzähl mir noch einmal: Wie viele Fahrgäste hatten wir bisher?«, fragte die robuste, doch gleichzeitig zierliche Frau mit der Fliegerkappe und einem Che-de-Roi-Kleid, wie es bei den weiblichen Fahrern eines Dampfflüglers üblich war.
Ox sah Kate verwirrt an. Angestrengt überlegte er, was sie wohl mit ihrer Frage bezwecken wollte. Dann öffnete er den Mund und murmelte »Hrr. Hrr.«
Kate neigte leicht den Kopf, kniff die Augen zusammen und fragte erneut: »Hm. Und gestern?«
»Hrr.«, sagte Ox nur. Ihm wurde unbehaglich zu Mute, denn er konnte sich schon denken, was als Nächstes folgen würde. Und so kam es auch.
Als Kate ansetzte und ihren Satz mit »Hm, und …«, begann, unterbrach sie Ox mit seiner knorrigen Stimme: »Also wirklich Kate. Einmal in der Stunde fragst du mich, wie viele Fluggäste schon bei uns waren. Wir hatten gestern keinen, wir hatten vorgestern keinen … und heute auch noch keinen … und wenn du mich noch tausendmal fragst.«
Dabei schüttelte der Hüne seinen Kopf, so dass ihm sein Bowler fast herunterfiel.
Kate sah ihn durchdringend an und schwieg. Sie schwieg lange. Dann machte sie einen Schritt auf ihn zu und Ox erschrak. Doch sie blickte ihm nur von unten her in die Augen und sagte: »Manchmal wünschte ich mir schon, dass Doktor Stein dir dein Sprachzentrum nicht wieder gerichtet hätte.«
Ox kroch eine kleine Träne ins Auge und gekränkt erwiderte er: »Das ist gemein, Kate.«
Ein leichtes Mitgefühl stieg in ihr auf, doch dann übernahmen sehr schnell wieder ihre Hexensinne das Kommando. Kühl antwortete sie: »Ja, ich weiß. Aber du hast mir besser gefallen, als du nur ›Hrr. Hrr.‹ gesagt hast. Da hast du weniger Widerworte gegeben.«
»Als ich mich dazu entschieden habe, die verbrecherische Laufbahn aufzugeben, was ja irgendwie auch ein Verdienst von Mister Holmes war, da hast du mir eine Chance gegeben. Das vergesse ich nicht. Aber trotzdem darfst du nicht erwarten, dass ich jetzt zu allem ja und amen sage.«
Kate starrte ihn verwundert an und in diesem Moment begriff der Riese, was er da gerade getan hatte. Er hatte ihr widersprochen. Er, der Heizer und Handlanger. Furcht stieg in ihm auf und er begann leicht zu zittern. Allerdings so unmerklich, dass es keinem Menschen aufgefallen wäre. Kate aber, mit ihren Hexensinnen, musste es bemerkt haben. Sie musste einfach.
Als diese ihren Blick auf den Boden richtete, hatte sich Ox bereits innerlich auf einen Wutausbruch ihrerseits eingestellt. Schließlich hatte er schon mehr als einmal mitbekommen, was passierte, wenn man Kate reizte oder sie sich aufregte und wütend wurde.
Nur die Baronin konnte sie dann noch stoppen. Aber die war nicht hier und er stand Kate allein gegenüber. Da würde ihm auch all seine Kraft nicht helfen. Er spannte sich an und wartete darauf, dass sie ihren Hexenstab in die Luft hob.
Doch Kate blieb ruhig. Lange blickte sie auf den Boden, hob dann ihren Kopf und sah ihm fest in die Augen. Schließlich sagte sie nur: »Ist ja gut, Ox. Es ist nur so, dass …«. Sie sprach nicht weiter. Ihm kam es vor, dass sie nach Worten suchte, um ihren Satz zu beenden.
Aber Ox hatte nicht die Geduld, zu warten, bis sie wieder sprach. Also fragte er: »Hrr?«
Kate seufzte. »Ich fürchte, über kurz oder lang müssen wir unseren Dampfflügler aufgeben. So schwer es mir fallen wird.« Dann starrte sie wieder auf den Boden.
»Das ist nur eine Flaute,« sagte Ox, »es kommen auch wieder bessere Zeiten.«
Kate hob erneut den Kopf und es stahl sich fast so etwas wie ein Lächeln auf ihre Gesichtszüge. »Deinen Optimismus möchte ich haben.«
Der Hüne packte sie an den Armen, schüttelte Kate ein kleines bisschen, es sollte wohl eine Umarmung andeuten, aber nie hätte er es gewagt, sie wirklich in den Arm zu nehmen, und sagte dann lachend: »Du weißt doch … beschränkter Intellekt, kindliches Gemüt.«. Und er lachte laut.
Kate lachte nicht, sondern schüttelte nur belustigt den Kopf und meinte zu ihm: »Und jetzt lass mich los, Ox. Du brichst mir noch alle Knochen.«
Sein Lachen brach abrupt ab und sofort entließ er Kate aus seinem Griff. Diese kam unsanft auf dem Gehweg auf, denn unwissentlich hatte er sie nicht nur leicht geschüttelt, sondern auch noch etwas in die Höhe gehoben.
»Tschuldigung.«, murmelte er, während sich Kate die schmerzenden Arme rieb. Dann standen beide da und schwiegen.