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Ruud van Houten und der Hexenkessel

(als Horacio Stamford)

Ausgabe #04 der Aether Gazette Heftromanserie

Heftroman
Erschienen 22. Oktober 2022
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 56
Erhältlich als eBook & Print-Ausgabe

Kurzbeschreibung:

Der Kopfgeld-, Hexen- und Vampirjäger Ruud van Houten stößt bei der Erledigung eines Auftrags auf einen seltsamen Kessel. Als er diesen untersucht, wird ihm schnell klar, dass er in eine Falle getappt ist. Spielen hier Baronin von Salm oder Brunhilde Magma eine Rolle?

Leseprobe

»Verdammt!«

Ich hatte die morsche Dachschindel übersehen und im gleichen Augenblick sauste ich in die Tiefe, wo ich nach kurzem Flug krachend auf dem Boden der kleinen Hexenkate aufschlug.

»Soviel zum Überraschungsmoment.«, murmelte ich und rappelte mich langsam wieder auf.

Die dicke Hexe mit dem Buckel, die gerade in ihrem Kessel einen dicklichen Sud mit dem großen Kochlöffel rührte, drehte sich um und sah mich überrascht an.

»Van Houten!«, kreischte sie schrill und griff sich ihren Hexenstab, den sie in ihrem Gewand verborgen hatte.

»Das würde ich nicht tun, wenn ich an deiner Stelle wäre.«, gab ich ihr zur Antwort und hoffte, an die Armbrüste zu kommen, die ich in an meinem Gürtel trug und das, bevor sie einen Fluch ausstoßen konnte.

Als mich ein roter Strahl erwischte, dreimal durch die Luft wirbeln und schließlich schmerzhaft an die Wand der Hütte krachen ließ, war mir klar, dass sich die Hexe von meinem Ausspruch nicht direkt beeindruckt gezeigt hatte und ich zu langsam gewesen war.

Ich wollte ihr gerade eine Beleidigung an den Kopf werfen, da erwischte mich ein umstürzendes Regal und begrub mich unter sich.

Die auf dem Boden vor, neben und hinter mir zerberstenden Tiegel, Fläschchen und Gläser verströmten einen widerlichen Geruch und nur mit Mühe konnte ich den Impuls unterdrücken, mich noch an Ort und Stelle zu übergeben.

Die Hexe streckte währenddessen einen Arm aus und ihr Besen flog auf sie zu. Sie schwang sich darauf und war im Begriff, durch das Fenster zu flüchten.

Im letzten Moment hatte ich die kleine Trommel an meinem Gürtel zu fassen bekommen und warf den Haken nebst angebrachtem Stahlseil, welcher sich um den Besen der Flüchtenden wickelte.

Der Ruck, der mich erwischte, war beinahe mörderisch und vor allem schmerzhaft. Mit lautem Gepolter wurde ich unter den Überresten des Regals hervorgezogen und in die Höhe gehoben.

Besen samt Hexe durchbrach das Fenster der Hütte und zog mich mit sich.

Mit einer schier übermenschlichen Anstrengung schaffte ich es, mich zu drehen und an der Mauer der Hütte mit den Füßen abzustützen, bevor ich durch das zerbrochene Fenster hätte gezogen werden können.

Mittels Druck auf einen kleinen Schalter in einem Handschuh, schossen mehrere Haken aus den Sohlen meiner schweren Stiefel und krallten sich in die Wand. Das gab mir einen sicheren und festen Halt.

Der Besen stoppte seinen rasanten Flug abrupt und sorgte damit dafür, dass die Hexe von ihrem Fluggerät geschleudert und in einiger Entfernung unsanft durch den kalten Waldboden gebremst wurde.

Ich ließ die Haken wieder einfahren, sprang aus dem Fenster und zog meine Armbrüste. Diese spannten sich, dank einer von mir entwickelten Vorrichtung, von selbst. Ich legte einen Bolzen ein und rannte auf sie zu. Im Laufen zielte ich auf den Kopf der Hexe. Diese war zwar etwas benommen, aber leider nicht so, wie ich es mir erhofft hatte.

Wieder erwischte mich der rote Strahl aus ihrem Stab und erneut flog ich durch die Luft. Kurz darauf machte ich die gleiche Bekanntschaft mit dem Waldboden, wie die Hexe kurz vor mir.

Meine Schutzausrüstung, die ich stets unter dem Mantel trug, verhinderten, dass ich mir dabei alle Knochen brechen konnte, da sie aus gepressten Eisenspanplatten mit Æthermodulierung bestanden.

Mühsam kam ich wieder auf die Beine und suchte nach der Hexe. Diese war zu Fuß auf der Flucht und rannte, als wäre der Teufel persönlich auf ihren Fersen.

»So, ohne Besen fliegen kannst du also nicht.«, sagte ich leise zu mir selbst, zog ein Justierungsrohr aus meiner Manteltasche hervor und schraubte dieses auf eine der Armbrüste.

Dann hob ich sie empor und zielte sorgfältig auf die Davonrennende. Jede andere Waffe wäre bei dem Abstand, den die Hexe bereits zwischen sich und mich gelegt hatte, nutzlos gewesen.

Da ich aber speziell entwickelte Steambolzen einsetzte, die in sich selbst ein kleines Wunderwerk darstellten, war die Entfernung nicht das Problem. Hatten die Steambolzen doch die Eigenschaft, sich, einmal abgeschossen, dank einer Æther-Dampf-Mischung und eines Mini-Turbinen-Reaktors, eigenständig bewegen zu können.

Ich zielte … und schoß!

Der Bolzen löste sich aus der Halterung der Armbrust und nahm die Verfolgung der Hexe auf. Und eine Sekunde später schlug er in das rechte Bein der Flüchtenden ein. Sie landete erneut auf dem Boden und hielt sich dabei den Oberschenkel, in dem der Bolzen steckte.

»Treffer. Versenkt.«, sagte ich und ging gemächlichen Schrittes auf die Hexe zu.

Sie versuchte immer nun kriechend, mir zu entkommen. Ihren Hexenstab hatte sie durch den Treffer verloren.

Nach wenigen Metern hatte ich sie erreicht und stand vor ihr. Meine zweite Armbrust auf ihren Kopf gerichtet.

»Fangen wir von vorn an.«, sagte ich und lächelte.

Das schien ihr nicht zu gefallen. Ich möchte die Verwünschungen und Beleidigungen, die sie mir entgegenschleuderte, hier auch nicht wiedergeben. Glauben Sie mir einfach, wenn ich sage: Sie waren, gelinde gesagt, unschön.

Ich hörte eine kurze Weile zu und ließ alles an mir abprallen. Aber dann wurde es mir zu viel. Ich trat ihr auf die Hand und ließ meinen Fuß dort stehen. Die Hexe schrie auf und unterbrach ihr akustisches, beleidigendes Dauerfeuer.

»Wie gesagt, fangen wir von vorn an. Atraxa, ich verhafte dich im Namen meines Auftraggebers und nehme dich mit. Auf dass du gerichtet und anschließend verbrannt wirst.«

»Was?«, fragte die Hexe schmerzerfüllt.

»Auch das noch. Eine taube Hexe.«, dachte ich bei mir und begann, diesmal lauter, erneut: »Atraxa, ich verhafte dich …«

Doch das hässliche Weib unterbrach mich: »Ich bin nicht Atraxa!«, schrie sie und ihre Augen sahen mich hasserfüllt an.

Jetzt war es an mir, überrascht zu sein. Ungläubig sah ich sie an und fragte: »Was?«

»Runter von meiner Hand, Hexenjäger!«, schrie sie wieder und ich machte einen Schritt rückwärts. Die Hexe rappelte sich auf und setzte sich. Sie rieb sich die Hand und fauchte: »Ich habe gesagt, ich bin nicht Atraxa!«

»So, so,« sagte ich, »du bist also nicht Atraxa. Na, das wollen wir doch mal sehen.« Ich griff in meine Manteltasche und holte den Steckbrief heraus, den mir der Bürgermeister von Augsburg in die Hand gedrückt hatte. Natürlich zielte ich dabei weiter auf ihren Kopf.

Ich entfaltete das Pergament und las vor: »Gesucht. Tot oder Lebendig. Hexe Atraxa. Und hier ist die Lichtbildskizzierung, die …« Ich stockte und besah mir das Bild genauer.

Verdammt.

»Ja?«, fragte das Weib höhnisch und stand auf. »Weiter?«

Ich kniff die Augen zusammen, zählte innerlich bis drei, öffnete sie wieder und sah mir das Bild erneut an.

Verdammt.

»Ich höre nichts.«, sagte sie in die einsetzende Stille hinein.

»Ja doch.«, gab ich ihr unwirsch zur Antwort. »Weil ich im Moment auch nichts sage.«

»Und warum nicht? Du wolltest mir doch gerade die Lichtbildskizzierung auf dem Steckbrief zeigen, oder etwa nicht?«, geiferte die Hexe und kicherte auch noch dabei.

»Ja, schon.«, erwiderte ich und mir wurde etwas warm.

»Dann bitte? Ich warte?«, sagte sie und stellte sich mit vor der Brust verschränkten Armen in Positur.

Am liebsten hätte ich ihr jetzt das hämische Grinsen aus dem Gesicht geprügelt, aber ich war hier, leider, in einer für mich unangenehmen Situation gefangen.

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