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Mein Beitrag zum Autoren-Adventskalender Osterspecial 2021

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Sherlhopp Holmes und das große Streiten

 

An einem schönen Sonntagmorgen saß ich in der Stube meines guten Freundes, Sherlhopp Holmes und hatte mir gerade ein Sonntagsbrötchen mit Möhrenmarmelade bestrichen, als ich ein merkwürdiges Geräusch vernahm, das wie ein Brummen klang.

    Erstaunt sah ich auf und direkt in das mürrische Gesicht meines Freundes.

    »Hoppsen«, sagte er, »mir ist langweilig.«

    »Holmes, es ist Sonntag Morgen und wir frühstücken. Das heißt, ich frühstücke, während sie in ihrer Teetasse herumrühren«, erwiderte ich und biss herzhaft in mein Brötchen hinein.

    »Mir ist eben langweilig. Seit Tagen hatten wir keinen Fall mehr. Und es ist nicht gerade spannend, ihnen beim Essen zuzusehen.«

    »Dann gucken sie woanders hin«, antwortete ich kauend.

    »Wussten sie eigentlich, dass sie beim Essen krümeln?«, fragte mich Holmes.

    »Das ist völlig normal, wenn die Brötchen so schön frisch und knackig sind. Da krümeln sie auch.«

    »Ich esse ja keine Brötchen.«

    »Das ist ja nicht mein Problem. Und nun lassen sich mich bitte weiter frühstücken. Ich habe Hunger und die Brötchen sind so köstlich.«

    »Ja, weil sie sie mit einer solchen Unmenge an Möhrenmarmelade bestreichen, dass man denken könnte, sie würden Angst haben, dass man sie ihnen stehlen würde.«

    »Möhrenmarmelade muss nun einmal dick gestrichen werden. Das ist Gesetz.«

    »Welches Gesetz soll das denn sein? Und wo steht das?«, fragte mein guter Freund verdutzt.

    »Das ist das Gesetz derer von Hoppsens«, antwortete ich grinsend. »Schon meine Oma hat …«

    Doch Sherlhopp fiel mir ins Wort: »Also wirklich, Hoppsen. Jetzt kommen sie mir mit Geschichten ihrer Oma.

    »Meine Großmutter hat die beste Möhrenmarmelade der Welt hergestellt, Holmes. Und wenn sie das Brötchen nicht dick damit bestreichen, dann brechen sie eben das Gesetz.«

    »Das sollten sie vielleicht einmal mit der Polizei besprechen. Ich glaube nämlich nicht, dass es noch andere gibt, die dieses Gesetz kennen«, erwiderte mein guter Freund und sah mich schief an.

    »Vielleicht sollte ich das einmal tun«, gab ich trotzig zurück.

    »Gehen sie doch am besten gleich zum Bürgermeister.«

    »Wissen sie was, Holmes? Das sollte ich wirklich machen.«

    »Bitte. Nur zu.«

    Ich rümpfte kurz die Nase, den meine Barthaare standen mir buchstäblich zu Berge. Dann tauchte ich mein Brötchenmesser noch einmal in die Marmelade und strich, gerade um meinen guten Freund zu ärgern, noch eine Schicht auf mein Brötchen und biss herzhaft hinein.

    Sherlhopp schloss die Augen und schüttelte dabei den Kopf.

    »Mmm. Fo fecker«, sagte ich mampfend.

    Genau in diesem Moment erklang vor unserem Haus ein lautes Gespräch.

    »Nanu, was ist denn da los?«, fragte ich.

    »Bleiben sie sitzen und essen sie ihr Möhrenbreibrötchen. Ich werde nachsehen«, sagte mein guter Freund und ging an das Fenster.

    »Na sowas«, sagte er dann.

    »Was ist denn da?«, fragte ich neugierig.

    »Sapperlot. Ei, dass hätte ich nicht gedacht.«

    Ich wurde ungeduldig: »Ja, was denn, Holmes?«

    »Sehr merkwürdig«, sagte mein guter Freund und ich war nicht sicher, ob er meine Frage nicht vernommen hatte oder ob er das extra machte, um mich zu ärgern.

    Doch schließlich hielt ich es nicht mehr aus, legte mein Rest Brötchen auf den Teller, erhob mich, und stellte mich ebenfalls an das Fenster.

    Dort unten stand der Milchhase dem Backhasen gegenüber und sie schienen in einen heftigen Streit verwickelt zu sein.

    »Die streiten sich ja«, sagte ich überrascht, denn in Hasenstadt galten diese beiden als freundlich und höflich. Noch nie hatte man den Backhasen oder den Milchhasen jemals streiten sehen.

    »Ja, das haben sie richtig erkannt, Hoppsen. Mich würde interessieren, worum es dabei geht.«

    »Na, dem kann man Abhilfe verschaffen«, erwiderte ich, öffnete kurzerhand das Fenster und rief hinaus: »Heda. Herr Milchhase und Herr Backhase. Warum streiten sie sich denn an so einem schönen Sonntag Morgen?«

    Der Milchhase war der erste, der reagierte: »Daran ist der Backhase schuld.«

    »Was? Ich? Nein, nein. Der Milchhase ist schuld«, sagte der Beschuldigte.

    »Aber worum geht es denn, meine Herren?«, fragte ich.

    »Wie jeden Sonntag fahre ich die Sonntagsmilch aus. Und wie jeden Sonntag liefere ich die Milch vor dem Backhase ab, der nach mir die Sonntagsbrötchen bringt. Aber gerade heute will er seine Brötchen zuerst abliefern«, antwortete der Milchhase.

    »Ich bin heute etwas früher aufgestanden als sonst. Deswegen bin ich mit meinem Wagen auch eher losgefahren. Heute bin ich eben mal zuerst dran«, erwiderte der Backhase.

    »Und wegen so einer Lappalie streiten sie sich?«, fragte ich verblüfft.

    »Das nennt sich Tradition. Das war schon immer so«, antwortete der Milchhase trotzig.

    »Dann hat sich das eben heute geändert«, erwiderte der Backhase.

    »Lassen sie das doch vom Bürgermeister klären«, schlug ich etwas verärgert vor, weil ich es nicht verstand, dass man sich wegen einer solchen Kleinigkeit streiten musste. Hätte ich geahnt, was daraufhin passieren würde, ich hätte meinen Mund gehalten.

    »Eine sehr gute Idee, Herr Hoppsen. Genau das werde ich machen. Ich werde dem Bürgermeister erzählen, was sich der Herr Backhase hier erlaubt«, antwortete der Milchhase.

    »Das kommt gar nicht in die Tüte. Ich werde mich beim Bürgermeister über den Milchhasen beschweren. Jawohl«, sagte der Backhase.

    Und so schnappten sich beide ihre Karren und rollten damit in Richtung Rathaus, ohne die weitere Milch oder Brötchen auszuliefern.

    Ich sah meinen guten Freund ratlos an. Dieser zuckte mit den Schultern.

    »Haben sie eine Erklärung für das Verhalten der beiden?«, fragte ich.

    Doch Sherlhopp Holmes schüttelte nur den Kopf und sagte: »Vielleicht hat sich da etwas angestaut? Etwas, von dem wir nichts wissen?«

    »Jetzt ist mir der Appetit auf mein restliches Brötchen vergangen. Streit schlägt mir immer so auf den Magen.«

    »Vielleicht liegt es aber auch daran, dass sie noch eine Extra Schicht Marmelade auf das Brötchen schmieren mussten?«

    »Holmes!«, sagte ich scharf und ärgerlich. »Ich habe ihnen bereits erklärt, dass man Möhrenmarmelade nicht dick genug …«

    Holmes unterbrach mich: »Halt, Hoppsen. Merken sie was?«

    Überrascht sah ich meinen Freund an.

    »Was soll ich denn merken?«, fragte ich ratlos.

    »Wir haben auch angefangen zu streiten. Genau wie der Milchhase und der Backhase.«

    »Sie haben recht, Holmes«, erwiderte ich verblüfft.

    »Hoppsen. Wir kennen uns nun schon viele Jahre und jeden Sonntag frühstücken wir zusammen Brötchen und Möhrenmarmelade. Und genausolange bestreichen sie ihr Brötchen dick damit. Habe ich mich in all der Zeit schon jemals über ihre Marotte beschwert?«

    »Das ist doch keine Marotte, Holmes«, antwortete ich verärgert.

    »Genau. Es ist eine Nichtigkeit. Ein Nichts. Und trotzdem habe ich mich heute über ihr Essverhalten geärgert und ihnen das mitgeteilt.«

    »Sie haben einen Streit angefangen, Holmes«, sagte ich, um den Satz meines guten Freundes klarzustellen.

    »Sie haben den Streit begonnen.«

    »Nein, das waren sie, Holmes.«

    »Nein, sie haben … Stop! Wir streiten schon wieder.«

    »In der Tat. Was ist denn nur los?«

    Plötzlich kehrte das Leben in meinen guten Freund zurück.

    »Hoppsen, ziehen sie sich an. Wir haben einen neuen Fall. Die Langeweile ist vorbei.«

    Überrascht sah ich Holmes an. »Anziehen? Warum? Und was für einen Fall?«, fragte ich.

    »Wir müssen feststellen, ob sich auch noch andere Bewohner in Hasenstadt streiten. Und wenn ja, dann müssen wir uns auf die Suche nach der Ursache begeben.«

    Kurze Zeit später standen wir auf der Straße vor dem Haus in der Bäckerstraße und ich fragte: »Wo sollen wir denn mit der Suche beginnen?«

    »Wir gehen einfach dem Lärm nach«, antwortete Holmes.

    »Was denn für ein Lärm?«

    »Diesem Lärm. Ein klares Streitgespräch«, antwortete mein guter Freund und setzte sich in Bewegung. Ich folgte.

    Als wir um die Straßenecke bogen, bot sich uns ein Bild des Grauens: Mitten auf der Straße standen sich mehrere Hasen und Häsinnen gegenüber, die sich laut stritten. Manche von ihnen fuchtelten dabei wild mit ihren Armen herum und sogar die ein oder andere Schubserei konnten wir beobachten.

    Zwei Waschhäsinnen zankten sich über den Gebrauch von Waschmitteln, zwei Lehrer darüber, wie eine Rechenaufgabe zu lösen wäre und der Scheiderhase diskutierte lebhaft mit einer Häsin, wie man einen Schal stricken solle.

    »Potzblitz. Das ist ja schlimm hier«, sagte ich.

    »Ja, in der Tat. Die Streiterei hat die ganze Stadt ergriffen. Wir müssen zum Bürgermeister.«

    »Zum Bürgermeister? Warum denn das?«, fragte ich überrascht.

    »Nun, einer muss sich ja schließlich kümmern, oder nicht? Warum fragen sie denn immer so dumme Sachen, Hoppsen?«, antwortete mir mein guter Freund.

    Verärgert sah ich Holmes an. »Ich bin also dumm, ja?«

    »Ich hatte von dummen Sachen gesprochen, Hoppsen. Aber da sie nicht mal das verstehen, muss ich davon ausgehen, dass sie Recht haben und wirklich dumm sind«, antwortete Sherlhopp und sah mich herausfordernd an.

    »Sie sind …«

    »Halt! Hoppsen! Es ist schon wieder passiert. Ich denke, wir sollten uns beeilen«, unterbrach mich mein guter Freund und wir gingen nun schnellen Schrittes dem Rathaus entgegen.

    Auf dem Weg beobachteten wir, wie sich die Hasenbewohner der Stadt weiter zankten und stritten. Und je näher wir dem Rathaus kamen, desto heftiger wurden die Auseinandersetzungen.

    Direkt vor dem Rathaus knufften und pufften sich Hasen und Häsinnen sogar. Zum Glück gab es aber keine größeren Verletzungen, wenn man mal von ein paar Schrammen absah.

    »Hier ist es ja besonders schlimm«, bemerkte ich und Sherlhopp nickte.

    »Ich gehe davon aus, dass sich hier der Auslöser des Streits befinden muss«, antwortete er.

    »Aber was kann es nur sein?«, fragte ich und bekam im gleichen Augenblick einen Schubs von Holmes.

    »Sie gehen mir so auf die Nerven, Hoppsen. Diese ständige Fragerei. Ich muss ja schließlich die ganze Arbeit allein machen und sie fragen und fragen.«

    Ich wollte dem ganzen natürlich nicht tatenlos zusehen und schubste nun meinerseits den Detektiv. Dabei rief ich laut und ärgerlich: »Ja, ja. Ich bin dumm und sie können alles. Sie sind ein riesengroßer Besserwisser, dass sind sie!«

    »Sagen sie das noch mal und sie können mal an meiner Faust riechen. Kurz bevor …« Mein Freund stockte.

    Das gab mir die Gelegenheit, ihm zuvorzukommen. Schnell machte ich einen Schritt auf ihn zu und gab ihm einen Schubs.

    Holmes taumelte und fiel dann auf den Hosenboden. Im gleichen Augenblick erwischte ihn ein Ei mitten auf der Nase.

    Dieses hatte die Frau des Milchhasen auf die Frau des Backhasen geworfen. Da jene sich aber schnell geduckt hatte, verfehlte das Ei die Häsin natürlich und traf damit meinen guten Freund.

    »Aua«, sagte Sherlhopp und griff sich an die Nase.

    »Lassen sie mal sehen, Holmes«, sagte ich und untersuchte die Nase meines Freundes. »Hm. Gebrochen ist sie nicht. Nur ein bisschen geschwollen. Es war zum Glück ein weichgekochtes Ei.«

    Nur einen Augenblick später wurde ich ärgerlich: »Das geschieht ihnen aber auch ganz recht. Nur, weil sie mir androhten, dass sie mich hauen wollten, habe ich sie geschubst. Sie sind schuld!«

    Aber mein Freund saß nur auf dem Boden und sah mich an.

    »Wollen sie denn nichts dazu sagen? Wollen sie mich nicht wieder dumm nennen? Warum streiten sie sich denn nicht?«, fragte ich wütend.

    »Weil ich nicht die Lust verspüre, mich zu streiten«, antwortete Holmes ruhig und erhob sich vom Boden. Er klopfte sich den Staub von seiner Hose und wischte sich mit einem Tuch die Ei Reste von der Nase.

    »Ich will mich aber streiten. Und wenn sie nicht …« Weiter kam ich nicht, denn Holmes hielt mir plötzlich meinen Schal vor die Nase, den ich wie immer locker um meinen Hals geschlungen hatte.

    »Merken sie was?«, fragte er und ich wollte schon wütend antworten, da fiel mir auf, dass sich mein Ärger verzogen hatte.

    »Nanu«, sagte ich verwundert.

    »Ja, genau. Sie sind nicht mehr ärgerlich und verspüren auch keinen Anlass mehr, sich zu streiten, richtig?«, fragte mich Holmes.

    »Sie haben recht. Aber was … wie …«

    »Als sie mich schubsten, was sehr gemein von ihnen war, da fiel ich auf den Hosenboden und in den Staub.«

    »Ja, Holmes, verzeihen sie mir bitte, aber …«

    Sherlhopp unterbrach mich: »Lassen sie mich fortfahren. Denn nur einen Augenblick später erwischte mich ja das Ei.«

    Ich wurde rot im Gesicht. Aber nicht vor Zorn, sondern weil es mir wirklich peinlich war, dass mein guter Freund wegen mir ein fehlgeleitetes Ei an die Nase bekommen hatte.

    »Dieses Ei, Hoppsen, war, wie sie richtig feststellten, weichgekocht. Es hatte aber trotzdem genug Kraft, um meine Nase anschwellen zu lassen. Dadurch aber konnte ich nicht mehr durch die Nase atmen«, fuhr Holmes fort.

    »Ich bin wirklich untröstlich.«

    »Still, Hoppsen. Ich bin noch nicht fertig.«

    »Verzeihung.«

    »Als meine Nase so angeschwollen war, dass ich nicht mehr atmen konnte, da passierte noch etwas. Ich konnte auch nichts mehr riechen. Na? Merken sie was?«

    Ich schaute meinen guten Freund nur ratlos an. »Ich weiß nicht, worauf sie hinauswollen.«

    Sherlhopp seufzte. »Hach, Hoppsen. Es ist doch ganz eindeutig. Die Ursache der ganzen Streitereien wird durch die Luft übertragen. Deswegen habe ich ihnen ja den Schal vor die Nase gehalten. Den sie, wahrscheinlich einer inneren Eingebung nach, noch immer selbst vor selbige halten.«

    Ich sah herab. Und tatsächlich: Ich hielt immer noch den Schal.

    »Und ihr Schal wirkt, wie die Schwellung meiner eigenen Nase, sozusagen als Filter.«

    »Sie meinen also, jemand hat hier etwas versprüht? In der ganzen Stadt? Nur, damit sich die Hasen streiten? Aber was macht das für einen Sinn? Und wer soll das gemacht haben?«

    Holmes sah mich mit einem mitleidigen Blick an. Ich hatte wohl, wieder einmal, etwas Dummes gesagt. Nur ärgerte ich mich nicht darüber.

    »Hoppsen. Nein, nein, nein. Es gibt doch in Hasenstadt keinen Superschurken, der etwas davon hätte. Aber ich glaube, ich habe die Lösung des Falles bereits vor Augen.«

    Wieder einmal verblüffte mich mein guter Freund. Denn er hatte die Lösung eines Falles herausgefunden, von dem ich nicht einmal wusste, dass es ein Fall war. »Ein Fall? Was denn für ein Fall?«, fragte ich daher ratlos.

    »Der Fall des großen Streitens«, sagte mein Freund und grinste mich an. »Ist das nicht eine gute Überschrift für eine neue Geschichte von ihnen?«

    »Vielleicht, vielleicht auch nicht. Aber nun sagen sie schon, was ist die Lösung?«

    »Ich hatte vor kurzem in der Aether Gazette, Hasenausgabe, gelesen, dass der Platz vor dem Rathaus neu geschmückt werden sollte. Und dafür wurden neue Blumen gepflanzt. Diese riechen sehr intensiv, nicht wahr?«

    Ich überlegte. »Ja, Holmes. Den Blumenduft kann man in der ganzen Stadt riechen, das stimmt.«

    »Es muss sich also, so unwahrscheinlich es auch klingt, etwas in diesen Blumen befinden, was den Streit auslöst.«

    »Wenn man alles andere auschliessen kann …«, begann ich und Holmes führte den Satz zu Ende: »Dann muss das, was am Ende übrig bleibt, die Lösung sein, so unwahrscheinlich sie auch klingen mag. Richtig, Hoppsen. Schnell, zum Rathaus.«

    Zum Glück hatten wir es nicht mehr weit, doch auf dem Weg mussten wir so vielen streitenden Hasen ausweichen und sogar Haken und Bogen schlagen, dass die Zeit doppelt so lang wurde.

    Endlich hatten wir den Vorplatz erreicht und wir stürzten uns auf die Blumenbeete.

    »Die Blumen sehen alle völlig normal aus. Osterglocken, Ostertulpen, Osterrosen«, sagte ich.

    »Dann muss es etwas in der Erde sein. Graben wir«, antwortete mir Holmes und begann schon, mit den Händen in der Blumenerde zu graben.

    Gerade wollte ich meinen guten Freund helfen, da gab er mir ein Zeichen. »Sie nicht, Hoppsen. Wenn sie jetzt auch graben, dann müssen sie ihren Schal loslassen. Und dann fangen sie wieder an zu streiten.«

    Ich wollte ein erbostes Widerwort geben, da fiel mir ein, dass endlich einmal Holmes derjenige sein würde, der sich, sprichwörtlich, die Pfoten schmutzig machte. Also tat ich genau das, was mir mein guter Freund geraten hatte: Nichts.

    Das heißt, nichts tat ich auch nicht, denn ich achtete darauf, dass sich keiner der streitenden Hasen uns zu sehr näherte. Das war aber auch schon alles.

    Dann hörte ich einen triumphierenden Schrei: »Heureka. Da haben wir die Lösung!«

    Als ich mich umdrehte, hielt mir Holmes stolz einen Käfer vor die Nase, der wild mit seinen Beinen in der Luft zappelte.

    »Uh, was ist denn das?«, fragte ich und besah mir das Krabbeltier.

    »Das, mein lieber Hoppsen, ist ein Argumentari Serperer. Im Volksmund in neu Hasinea auch Streitkäfer genannt«, antwortete mein guter Freund stolz.

    Verblüfft fragte ich: »Woher kennen sie denn so ein Argudingsda?«

    »Ich habe vor einiger Zeit ein Buch über ein-und ausheimische Krabbeltiere gelesen. Da kam dieser Käfer vor.«

    »Warum lesen sie Bücher über Krabbeltiere?«, fragte ich verwirrt, doch Holmes konnte mir darauf keine Antwort geben, denn der Bürgermeister kam wutschnaubend auf uns zugelaufen.

    »Was fällt ihnen ein, meine schönen Blumenbeete zu verwüsten, sie Schmalspurdetektiv?«, brüllte er und ballte die Fäuste.

    »Dafür haben wir wirklich keine Zeit. Hoppsen, kümmern sie sich bitte um den Bürgermeister, während ich den Käfer wegbringe.«

    »Herr Bürgermeister, es tut mir wirklich leid«, sagte ich daraufhin und nahm den Hasen kurzerhand in einen Schwitzkasten. »Beeilen sie sich bitte, ich weiß nicht, wie lange ich ihn so halten kann. Außerdem rutscht mir gerade der Schal von der Nase und ich werde wirklich sauer.«

    Holmes steckte sich den Käfer in seine Manteltasche und eilte mit schnellen Schritten davon, während ich mit dem Bürgermeister rang. Doch je weiter sich mein guter Freund entfernte, desto friedlicher wurden die Hasen und Häsinnen von Hasenstadt.

    Bald war Sherlhopp Holmes so weit weg, dass ich den Herrn Bürgermeister loslassen und ich ihm die Sache erklären konnte.

    Überall in der Stadt entschuldigten sich die Hasen untereinander und strömten dann herbei, um vom Bürgermeister die Erklärung zu vernehmen, die dieser laut vor dem Rathaus verkündete. Nur von meinen guten Freund war nichts zu sehen. Voller Sorge ging ich nach Hause zurück.

    Gegen Abend öffnete sich die Tür und endlich kam Sherlhopp Holmes zurück.

    »Wo waren sie denn so lange? Ich habe mir große Sorgen gemacht«, sagte ich tadelnd, aber doch erleichtert. »Wo haben sie den Käfer gelassen?«

    »Ich habe den Käfer zur großen Eule gebracht«, sagte Holmes und ließ sich in seinen Sessel sinken. Dann schnappte er sich eine Möhrenpfeife und begann zu kauen.

    »Zur Eule?«, fragte ich entsetzt, denn schließlich sind Eulen dafür bekannt, Käfer zu verspeisen.

    Doch wieder einmal verbesserte Sherlhopp meinen Wissensstand: »Die große Eule ist, wie allgemein bekannt, zwar eine Eule, aber durch Umstände, die selbst mir nicht bekannt sind, nur an pflanzlicher Nahrung interessiert und Leiter des großen Museums.«

    »Ach, die Eule meinen sie«, murmelte ich, um nicht wieder als dumm dazustehen.

    »Genau die. Allerdings ergaben sich auf dem Weg zu ihr ein paar Komplikationen, die mich veranlassten, etwas zu tun, was ich nie tun wollte.«

    Nun wurde ich neugierig: »Komplikationen? Was ist passiert?«, fragte ich.

    »Nun, die Schwellung meiner Nase ging zurück und da ich den Käfer in meiner Manteltasche trug, erwischte mich sein Geruch natürlich intensiv. Ich musste mich also beeilen.«

    »Aber sie haben es geschafft«, merkte ich an.

    »Ja, das habe ich.«

    Einen kurzen Moment herrschte Stille, dann erst bemerkte ich das blaue Auge meines guten Freundes.

    »Sie haben da ein blaues Auge«, sagte ich.

    »Sehr scharfsinnig bemerkt, Hoppsen.«

    »Wie ist es dazu gekommen?«, wollte ich wissen.

    »Ich hatte eine Begegnung mit einem Waldtroll«, gab Holmes zurück.

    »Sie haben sich gehauen?«

    »Nunja …«

    »Holmes. Sagen sie mir die Wahrheit.«

    »Es ließ sich leider nicht vermeiden.«

    »Sie haben sich mit einem Waldtroll geprügelt? Ist der Käfer daran schuld?«

    Mein Freund wurde rot im Gesicht und antwortete: »Vielleicht auch etwas, ja.«

    »Auch etwas? Was war denn? Nun erzählen sie schon«, bohrte ich hartnäckig nach.

    Einmal mehr seufzte Holmes, griff sich eine neue Möhrenpfeife und begann dann zu erzählen: »Ich sagte ja schon, ich musste mich beeilen und dazu musste ich etwas tun, was ich nie tun wollte.«

    »Und was war das?«

    »Ich musste … hopsen.«    

    »Sie meinen … hopsen? Wie hüpfen?«

    »Ja doch.«

    Ich schmunzelte. »Sie hopsten also. Und dann?«

    »Dann … sah mich der Troll … und er lachte.«

    Ich verzog die Mundwinkel, damit Holmes mein Feixen nicht erkennen konnte.

    »Er hat sie ausgelacht?«, fragte ich schmunzelnd.

    »Es muss der Geruch des Käfers gewesen sein«, verteidigte sich mein Freund. »Ich weiß auch nicht mehr genau, was passierte. Jedenfalls hat nun der Troll ein blaues Auge.«

    »Ist das auch so blau wie ihres?«

    »Ach hören sie doch auf, Hoppsen.«

    »Ja, hopsen. Gutes Stichwort.«

    »Ich sagte, sie sollen aufhören«, brummte Holmes nun ärgerlich.

    »Warum? Hauen sie mich dann auch? Das können sie aber nicht mehr auf den Käfer schieben. Sie Streithammel«, sagte ich und dann konnte ich nicht mehr an mich halten. Ich lachte laut und gellend.

    »Ihnen erzähle ich nichts mehr, Hoppsen«, murrte Holmes, mampfte die dritte Möhrenpfeife in Folge und drehte sich von mir weg.

Ende

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