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Schlachtmaid und Dunkelelb (Teil 1)

 

Die Sonne brannte heiß über TargArnors Kontinent Nasin. Und besonders heiß war es im Barbarenland.

   Das dürfte auch niemanden überraschen, der sich mit der Geologie der Welt beschäftigt. Ein ganzer Band der Lexikopedia TargAnoria ist rein dem Klima TargAnors gewidmet.

   Alena, die Tochter des Häuptlings des Stammes der Gardald, war, vermeidlich ohne Wissen ihres Vaters, aufgebrochen, um sich in einem Zweikampf mit Rega, der Tochter des Häuptlings der Theg zu messen.

   Die Gardald und Theg waren keine Feinde, sondern in einer Freundschaft miteinander verbunden. Doch gerade die Heranwachsenden beider Stämme, wollten sich natürlich gern beweisen. Also wurden schon seit Jahrzehnten heimliche Zweikämpfe arrangiert, damit sich die jungen Leute abreagieren und ihr Mütchen kühlen konnten.

   So heimlich allerdings, war das gar nicht. Vielmehr wussten alle Stämme der Wüstenlande darüber Bescheid. Doch hielten sich die Älteren zurück und ließen die Jugend gewähren.

   »Ein Hieb hier und da hat noch niemandem geschadet«, sagten sie und taten so, als hätten sie keine Ahnung, was um sie herum geschah.

   Und die ungestümen Mädchen und Jungen der Stämme glaubten wirklich, sie würden hier etwas heimliches tun.

   Selbstverständlich verstanden die Alten, die Jugend zu motivieren und mit geschickt gestellten Fragen die Illusion des Heimlichen noch zu bestärken.

   So hatte Carom, der Häuptling der Gardald, seine Tochter, die sich mit Schild und Waffe ausgerüstet hatte, beiläufig gefragt, was sie denn vorhabe.

   »Ich … ich wollte üben«, hatte sie ihm geantwortet, während ihr Gesicht rot angelaufen war.

   »Ah, ich verstehe. Und das tust du, wie es unsere Gesetze vorschreiben, außerhalb unseres Dorfes in der Wüste, nicht wahr?«, hatte er erwidert und sich dabei innerlich über die Reaktion seiner Tochter amüsiert.

   »Ja … ja genau.«

   »Aber du weißt, du darfst dich auf keinen Fall zu einem anderen Stamm begeben oder gar einen Zweikampf austragen. Dies ist streng verboten!«

   »Natürlich, Vater. Das weiß ich. Und das werde ich auch nicht. Versprochen.« Dabei hatte sie allerdings die Finger hinter ihrem Rücken gekreuzt.

   »Dann geh nur, Alena. Möge Bronn mit dir sein.«

   »Mmh«, hatte ihm seine Tochter geantwortet und wäre gern so schnell sie konnte, aufgebrochen, doch ihre Mutter, Frayar, hatte sie aufgehalten.

   »Hast du genug Wasser dabei? Hast du Wechselwäsche mit? Bandagen und Heilkräuter?«, fragte sie und Alena verdrehte die Augen.

   »Mama, ich bin kein kleines Kind mehr.«

   »Du bist erst zwanzig, mein Kind, und noch lange nicht so weit, dass du darauf achtest, was man mitnehmen sollte«, tadelte sie ihre Mutter.

   »Nun lass sie, Frayar. Sie wird es merken«, schaltete sich Carom ein und lächelte seine Tochter an.

   »Es war so klar, dass du dich wieder auf ihre Seite stellst«, schmollte Frayar.

   »Ich muss jetzt los«, drängelte Alena und schwang sich auf ihr Pferd.

   Verwundert sah ihr Vater sie an. »Warum die Eile?«, fragte er listig.

   »Damit es nicht zu spät wird«, antwortete ihm seine Tochter. Wieder war sie rot im Gesicht geworden.

   »Na dann los«, lachte Carom laut und gab dem Pferd einen Klaps auf das Hinterteil. Dies sorgte dafür, dass es sich kurz aufbäumte und dann mit Alena auf dem Rücken davonpreschte.

   »Bist du sicher, dass ihr nichts passieren wird?«, fragte Frayar und sah ihren Mann an.

   Carom nahm seine Frau in den Arm und lächelte. »Ihr Schwert ist stumpf, genauso wie das von Rega. Was soll also passieren, außer ein paar Schrammen? Nekrom hat mir das versichert.«

   Frayar seufzte, was ihren Mann zum Grinsen brachte. Belustigt sagte er: »Du warst doch genauso in ihrem Alter. Oder erinnerst du dich etwa nicht mehr daran?«

   Seine Frau lächelte ihn an. »Ich habe gegen dich gekämpft«, sagte sie sanft.

   »Ja, am Anfang, danach …«

   Schnell fiel sie ihm ins Wort: »Erinnere mich bitte nicht daran. Du warst so ungestüm.«

   »Und du eine echte Wildkatze«, lachte er. Dann sah er sie mit einem lüsternen Blick an. »Das erinnert mich daran, dass wir heute ein sturmfreies Zelt haben.«

   Entrüstet blickte sie ihm in die Augen. »Du willst doch nicht etwa …«

   »Doch, genau das«, antwortete Carom. Dann fasste er sie fest an den Hüften und schob sie vor sich her.

   »Aber es ist früh am Tag«, entgegnete Frayar, doch ihre Gegenwehr war mehr gespielt, als Ernst.

   »Das gibt uns viel Zeit, Schatz.«

   »Du bist ein Wüstling, Carom, Häuptling der Gardald«, erwiderte Frayar, ließ sich aber willig von ihrem Mann in Richtung des Zeltes führen.

   »Oh ja«, antwortete er. Sie erkannte die Gier in seinen Augen und grinste ihn an.

   Verehrte Leser und Zuhörer. Ich bin sicher, dass es den ein oder anderen unter ihnen gibt, der nun gewisse Beschreibungen eines natürlichen Vorgangs zweier menschlicher Körper, die in inniger Liebe verbunden sind, erwartet. Da es in dieser Geschichte aber nicht um den Häuptling und seine Frau gehen soll, blenden wir die nun folgenden Szenen aus, auch gegen das Murren der erwähnten Leser und Zuhörer. Schließlich haben auch Barbaren ein Recht auf ihre Privatsphäre.

   Wir wenden uns also wieder Alena zu, die auf ihrem Schimmel durch die Wüste ritt. Ihre Gedanken waren auf den kommenden Kampf mit Rega gerichtet und sie ging Angriffs- und Verteidigungstechniken durch, damit sie diese parat hatte, wenn es zum Kräftemessen kam.

   Sie kannte Rega von klein auf und wusste, dass diese eher ein Heißsporn war und impulsiv reagierte. Sie selbst aber war eine Taktikerin. Und Alena war sicher, dass ihr das nicht nur einen Vorteil, sondern auch den Sieg einbringen würde.

   Plötzlich bäumte sich ihr Pferd auf und blieb stehen. Überrascht sah Alena auf. »Was ist los, Shrak? Witterst du etwas?«

   Shrak gab natürlich keine Antwort, schließlich war es kein Zauberpferd. Es wieherte nur leicht und schnaubte.

   Alena stieg ab und ging um ihr Ross herum. Vielleicht hatte es eine Schlange entdeckt, oder einen Skorpion. Es könnte auch sein, dass sich eins der Narg´ut Biester hier versteckt hatte.

   Die Narg´ut besaßen die Fähigkeit, sich ihrer Umgebung fast perfekt anzupassen. Sie galten im Grunde als friedfertig, aber sie hatten die unangenehme Eigenschaft, bei Gefahr eine Reihe von sehr spitzen Stacheln auf ihrem Rückenpanzer auszufahren.

   Und wenn ein Mensch oder Pferd darauf trat, dann sorgte das in den Stacheln befindliche Gift dafür, dass man für ein paar Stunden bewegungslos auf dem Boden liegen bleiben würde.

   Und genau das war dann die gefährliche Situation. War man so doch leichte Beute für Schlangen und anderes Getier.

   Alena suchte sehr sorgfältig die Umgebung ab, konnte aber nichts entdecken. Keine Schlange, kein Skorpion und kein Narg´ut.

   »Was hast du gewittert, Shrak?«, fragte die Schlachtmaid und folgte dann dem Blick ihres Pferdes.

   Und jetzt erkannte sie in weiter Entfernung einen Haufen schwarzer Punkte am Himmel. Geier.

   »Hm«, machte sie und überlegte. »Meinst du, wir sollten uns das Mal ansehen?«, fragte sie ihr Pferd, ohne eine Antwort zu erwarten.

   Shrak ging zwei Schritte vor und Alena grinste. »Du bist neugierig, nicht wahr? Na schön, wir haben noch Zeit, bis wir Rega treffen. Und wenn du so darauf bestehst, dass wir uns das ansehen, dann will ich nicht so sein.«

   Eigentlich war sie es, die die Neugierde gepackt hatte. Aber sie konnte alles auf Shrak schieben.

   Kurzerhand sprang sie wieder in den Sattel und sagte: »Na dann los, du neugieriger Kerl.«

   Shrak trabte los und sie ritten in schnellem Galopp auf die Stelle zu, über der die Geier kreisten.

   Bald schon konnte sie erkennen, dass dort etwas auf dem Boden lag. Das war in den Wüstenlanden nichts ungewöhnliches, verendeten doch oft Sandmorgs hier, wenn ihnen der Wasserspeicher ausging.

   Allerdings hatte dieses Ding am Boden, keine Form, die ihr geläufig war. Für einen Sandmorg zu klein, für ein Narg´ut zu groß.

   Sie zügelte ihr Pferd und näherte sich nun langsam und vorsichtig dem Etwas.

   Jetzt konnte sie es auch besser erkennen. Der Form nach sah es so aus, als wenn dort ein Mensch liegen würde.

   Der gelandete Geier war näher getreten und hackte mit seinem Schnabel auf der Person herum. Alena stieß einen Schlachtruf aus. Der Vogel erschrak, krächzte heiser, hob vom Boden ab und gesellte sich zu seinen Artgenossen, die über der Stelle kreisten.

   Die Schlachtmaid kam noch näher heran, hielt dann ihr Pferd an und sprang auf den Wüstensand. Sie zog ihr Schwert und näherte sich bedächtig der am Boden liegenden Person.

   Es wäre nicht das erste Mal, dass Banditen eine Falle aufgestellt hätten und nur darauf warteten, dass Unvorsichtige ihre Deckung fallen ließen, um sich dann auf sie zu stürzen.

   Sie sah sich prüfend um, konnte aber keine Spuren eines Hinterhalts entdecken.

   Auch wäre der Ort für die Banditen der Wüstenlande eher untypisch gewählt. Schließlich befanden sie sich hier in der Nähe der Grenze zu den Dunkelelben.

   Sie hatte nun die Person erreicht und besah sie sich vorsichtig.

   Sie hatte langes, blondes Haar, trug eine dunkle Rüstung und war merkwürdig verkrümmt. Auf dem Boden um sie herum, waren Spuren eines Narg´ut zu erkennen.

   Sie musste also auf eines dieser Wesen getreten sein. Ganz offensichtlich also nicht Wüstenerfahren.

   Alena steckte ihr Schwert zurück in die Scheide und beugte sich herab. Behutsam griff sie nach dem Arm der Person und tastete ihn ab. Dabei fiel ihr die dunkle Färbung der Haut auf, die keine Sonnenbräune darstellen konnte.

   Sie spürte einen langsamen Puls. Der oder diejenige war also am Leben. Die Schlachtmaid ging zu ihrem Pferd zurück, holte den Wasserschlauch und versuchte dann, die Person umzudrehen.

   Das war einfacher, als gedacht, denn trotz der Rüstung, die sie trug, war sie sehr leicht.

   Als sie genauer hinsah, erkannte sie die spitzen Ohren, die unter den Haaren hervortraten. Es handelte sich also um einen Elb. Und das erklärte auch die Hautfärbung. Es war ein Dunkelelb.

   »Was macht ein Dunkelelb hier in der Wüste?«, fragte sie leise, entkorkte den Wasserschlauch und hielt ihn dem Elb an den Mund.

   »Und wie lang magst du schon hier liegen?«, fragte sie wieder, mehr zu sich selbst, während sie ihm etwas Wasser über die Lippen laufen ließ.

   Alena wusste, dass das Gift eines Narg´ut bei einem Menschen etwa vier Stunden andauerte. Wie sich das bei einem Elb verhielt, davon hatte sie keine Ahnung.

   In Anbetracht der gekräuselten und gebrochenen Lippen des Elbs, ging sie allerdings davon aus, dass er schon eine geraume Zeit hier liegen musste.

   »Was mache ich jetzt mit dir?«, fragte sie und sah ihn an. Dabei bemerkte sie eine schwache Reaktion seiner Augenlider.

   »Wie kann man auch so unvorsichtig sein, und auf einen Narg´ut treten? Erfahrung hast du ganz offensichtlich keine.«

   Die Schlachtmaid studierte den Körper des Elben, auf der Suche nach einer Verletzung, fand aber nichts. Kleine Luftbläschen bildeten sich auf seinen Lippen.

   »Willkommen zurück«, sagte sie und lächelte ihn an.

   Als sie in den Himmel hinaufblickte, sah sie die Geier, die immer noch über ihnen kreisten. »Heute nicht. Sucht euch eine andere Beute«, rief Alena der Schar zu. Und als wenn sie sie verstanden hätten, flogen die Aasfresser enttäuscht davon.

   »Wer … bist du?«, vernahm sie plötzlich die schwache Stimme des Elben.

   Sie drehte ihren Kopf und sah ihn an. »Ich bin Alena. Tochter von Carom, Häuptling der Gardald«, antwortete sie stolz und ehrenvoll.

   »Keal«, hauchte der Elb.

   »Ist das dein Name oder ein elbischer Ausspruch?«, fragte Alena.

   Der Elb versuchte zu nicken, doch dabei sackte sein Kopf in den Sand.

   Schnell griff die Schlachtmaid nach ihm und drehte ihn herum. »Es ist keine gute Idee, den Kopf in den Sand zu stecken, wenn man noch so geschwächt ist. Da kann man ersticken, Elb«, sagte sie amüsiert.

   »Hrm«, erwiderte er. »Was … ist passiert?«

   »Du bist allen Anschein nach auf einen Narg´ut getreten. Und das mögen die kleinen Mistviecher überhaupt nicht«, erklärte Alena.

   »Narkuts?«, fragte Keal, der allmählich wieder zu Kräften kam.

   »Narg´uts«, verbesserte sie ihn. »Sie haben Giftstacheln in ihren Panzern. Die Wirkung hält normalerweise um die vier Stunden an. Aber in der Wüste kann das tödlich sein.«

   »Ich verstehe«, sagte der Elb. »Und wieso hast du mich gerettet?«

   Alena überlegte. Bisher hatte sie sich keine Gedanken darum gemacht. Es war einfach eine innere Eingebung.

   »Ich weiß nicht«, antwortete sie dann wahrheitsgemäß.

   »Du bist eine Barbarin, nicht wahr?«

   Die Schlachtmaid kniff die Augen zusammen. »Und was soll das heißen? Dass wir unzivilisiert sind?«

   »Ich … ich weiß nicht«, druckste Keal. »Es gibt … Geschichten …«

   Alena bemerkte, dass dem Elb nicht wohl in seiner Haut zu sein schien. »Was für Geschichten?«, fragte sie nach.

   »Naja …«. Keal versuchte ganz offensichtlich, der momentanen Situation zu entkommen.

   »Wir plündern, rauben, überfallen, essen rohes Fleisch, tragen Fetzen als Kleidung und können uns nicht kultiviert artikulieren, richtig?«, fragte sie und langsam wurde sie wütend.

   »Das habe ich nicht gesagt.« Dem Elb war gerade alles unangenehm.

   »Aber so lauten doch die Geschichten, von denen du gehört hast, oder?«, bohrte Alena nach.

   »Ich … ich habe noch nie einen von … euch getroffen«, druckste er.

   »Und ich habe noch keinen Dunkelelb getroffen. Aber ich habe von euch gehört. Ihr seid arrogant und hochnäsig. Und ich muss sagen, dass stimmt!« Sie sah den Elb mit funkelnden Augen an. »Du hältst es nicht mal für nötig, dich für deine Rettung zu bedanken!«

   Beschämt sah Keal zu Boden. »Danke«, sagte er dann.

   Alena wartete ein paar Sekunden ab. Dann fuhr sie ihn an: »Danke? Ist das alles? Danke?«

   Nun konnte auch der Dunkelelb nicht mehr an sich halten. Die Betäubung durch das Gift war augenscheinlich von ihm gefallen. Er blitzte sie an und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.

   »Jetzt hör mal zu, Mädchen …«, begann er, doch Alena unterbrach ihn sofort:

   »Mädchen? Was fällt dir ein? Ich bin die Tochter des Häuptlings, du ungehobelter Klotz!«

   »Ungehobelt? Ich? Sieh dich doch an. Du rennst hier halbnackt herum und nennst mich ungehobelt«, giftete der Dunkelelb zurück.

   »Ich schwitze jedenfalls nicht in meiner Rüstung wie ein eingeölter Pattrug!«

   »Das nimmst du zurück, Barbarin!«, fauchte Keal und stieß sie von sich. Er wusste zwar nicht, was ein Pattrug war, aber er war sicher, dass es sich nur um eine Beleidigung handeln konnte.

   Unsanft landete Alena auf dem Hosenboden. Dann sah sie ihn entrüstet an. »Du wagst es, Hand an die Tochter des Häuptlings zu legen? Das büßt du!«

   Sie sprang mit einer Geschwindigkeit auf, die der Elb der Schlachtmaid nicht zugetraut hatte, griff nach ihrem Schwert, zog es heraus und hielt es ihm vor das Gesicht.

   Reflexartig hatte auch Keal sein Schwert gezogen. »Du weißt nicht, was du tust, Mädchen«, sagte er. Doch diese Worte stachelten die Wut Alenas nur noch mehr an.

   »Du wirst gleich lernen, was es heißt, sich mit einer Barbarin messen zu wollen!«, fauchte sie und griff an.

   Wütende Schläge prasselten auf den Dunkelelb nieder, der mit solch wuchtigen Attacken nicht gerechnet hatte. Er verteidigte sich, so gut er konnte, wich dabei aber immer mehr zurück.

   Nachdem er sich endlich aus seiner Starre gelöst hatte, griff auch er an, parierte die Schläge Alenas und schaffte es langsam, die Oberhand zu gewinnen.

   »Tut mir leid«, sagte er urplötzlich und Alena sah ihn überrascht an.

   »Was?«, fragte sie und im gleichen Augenblick hatte sich der Elb zur Seite gedreht und sie in eine Finte laufen lassen.

   Mit einer schnellen Bewegung schlug er ihr das Schwert aus der Hand und trat ihr mit Wucht in den Bauch.

   Stöhnend ging sie zu Boden. Ein Ausfallschritt des Elbs brachte Alena ins Straucheln und sie landete auf dem Rücken im Sand.

   Sofort war Keal über ihr, nagelte sie mit seinen Beinen auf dem Boden fest und hielt ihr das Schwert an die Kehle.

   »Ich könnte dich jetzt töten, Mädchen«, sagte er leise und bedächtig.

   »Dann tu es. Ich bin bereit, Bronn gegenüberzutreten«, erwiderte sie stolz und ohne Furcht.

   Der Elb seufzte. »Hch. Gib auf. Ich kann meine Retterin nicht töten. Aber wenn … Ooooh!«

   Keal stöhnte plötzlich überrascht vor Schmerzen auf, denn Alena hatte die kurze Ablenkung genutzt, um ihm ihr Knie in den Unterleib zu rammen.

   Der Griff um sein Schwert lockerte sich und die Schlachtmaid nutzte die Gunst des Augenblicks. Schnell drehte sie sich um und saß nun ihrerseits auf dem Elb.

   »Das … war ein … ganz mieser Trick«, keuchte Keal schmerzerfüllt.

   »Das hast du doch erwartet von einer Barbarin, oder nicht?«, fauchte sie ihn an, hob ihren Kopf und ließ ihn dann krachend auf die Stirn des Elbs niedersausen.

   Seine Augen füllten sich mit Wasser. »Ich … gebe auf«, krächzte er leise.

   »Was?«, fragte Alena überrascht.

   »Ich … gebe auf. Du hast … gewonnen.«

   Misstrauisch sah die Schlachtmaid auf den Dunkelelb herab. »Du meinst das auch so?«, fragte sie, nicht von seinen Worten überzeugt.

   »Bei meiner Ehre«, antwortete er.

   »Na schön. Aber keine faulen Tricks.« Langsam stieg sie von Keal herab und wartete angespannt auf einen plötzlichen Angriff, doch der Elb tat nichts dergleichen.

   Er rappelte sich langsam auf und machte dann eine Verbeugung vor ihr. »Habt Dank für meine Rettung«, sagte er ehrfurchtsvoll.

   »Hm. Gern geschehen«, gab sie zurück und versuchte, so stolz zu wirken, wie es eben nur ging.

   Sie griff nach dem Wasserschlauch, entkorkte ihn und hielt dann inne. Sie sah Keal an und reichte ihm den Schlauch.

   Dieser griff danach, nickte ihr zu und nahm einen tiefen Schluck. Dann gab er ihn der Schlachtmaid zurück. Auch sie nahm einen Schluck.

   »Was machst du eigentlich in der Wüste?«, fragte sie schließlich.

   Der Elb seufzte und war im Begriff, sich in den Wüstensand zu setzen. Doch dann erinnerte er sich, sprang er schnell wieder auf und besah sich den Boden.

   Alena grinste. »Keine Angst, kein Narg`ut mehr da«, sagte sie amüsiert.

   Keal setzte sich erleichtert und begann zu erzählen: »Ich hatte ein paar Probleme mit meinen Verwandten. Mein Vater verstarb nach einer langen und schweren Krankheit. Und dann ging es um die Thronfolge.«

   Er bemerkte den überraschten Blick der Barbarin und lachte. »Haha, ja. Auch bin der Sohn eines Königs. So wie du die Tochter eines Häuptlings. Ich weiß nicht, wie bei euch die Erbfolge geregelt wird, aber bei uns … nun sagen wir es so: Es läuft nicht friedlich ab. Ich musste fliehen und so blieb mir nur der Weg in die Wüste.«

   »Und ihr nennt uns unzivilisiert«, lachte Alena.

   »Das habe ich nie gesagt. Ich sprach von Geschichten«, verteidigte sich der Dunkelelb.

   »Und wo willst du nun hin?«, fragte die Schlachtmaid und sah Keal fragend an.

   Dieser schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Eigentlich hatte ich vor, nach Uynnor zu gehen. Das ist das Dunkelelbenreich, welches direkt an unser Land angrenzt. Aber dazu müsste ich Ilrenshara durchqueren. Und dort komme ich her. Also werde ich das nicht können, da man dort nur auf mich wartet.«

   Keal ließ der Schlachtmaid die Gelegenheit zu einer Frage, doch diese sah ihn nur erwartungsvoll an. Also sprach er weiter: »Ich könnte nach Silnaluma gehen, das dritte Dunkelelbenreich.«

   »Warum gehst du nicht nach Astenor? Es grenzt direkt an unser Gebiet«, stellte Alena nun doch eine Frage.

   »Das Menschenreich? Ich glaube, wir Dunkelelben sind dort ganz sicher nicht gern gesehen. Wir haben einen gewissen Ruf. Im negativen Sinne. Und ich muß leider zugeben, dass vieles davon auf Wahrheit beruht.«

   Die beiden saßen eine Weile schweigend nebeneinander. Dann sagte Keal: »Weißt du eigentlich, dass du mich mit deinem Schwert nicht ernsthaft hättest verletzten können?«

   Sofort brauste Alena auf: »Wieso? Denkst du immer noch, du wärst mir überlegen? Nachdem du dich ergeben hast?«

   Der Elb wiegelte ab. »Nein, darum geht es nicht. Aber dein Schwert ist nicht geschliffen.«

   »Was?« Alena war wütend aufgesprungen, hatte ihr Schwert gezogen und blickte es prüfend an. Dann brüllte sie laut: »Dich soll ein Narg´ut beim Erleichtern in den Hintern stechen!«

   »Wie?«, fragte Keal verwirrt.

   »Mein Vater. Oh, dieser hinterhältige Kerl. Er wußte, was ich vorhatte. Und ich bin darauf hereingefallen. So eine Gemeinheit!«

   »Klärst du mich bitte auf?«, fragte der Elb und sah sie verwirrt an.

   »Ich war auf dem Weg, mich mit Rega, der Tochter des Häuptlings der Theg zu messen. Das können wir aber nur heimlich tun, da es gegen das Gesetz der Stämme verstößt. Und mein Vater wußte, was wir vorhatten. Oh so ein gemeiner Kerl!«

   »Er wollte dich sicher nur schützen«, warf der Dunkelelb ein.

   »Ich brauche keinen Schutz!«, brüllte Alena Keal an.

   »Macht ihr sowas oft?«, fragte der Elb.

   »Was?«

   »Euch messen.«

   »Ja. Natürlich. Das ist Tradition.«

   »Und ist schon einmal jemanden etwas passiert?«

   »Natürlich nicht. Was soll denn diese Frage?«

   Keal stand langsam auf. »Darf ich dich etwas fragen?«

   Mit Müh und Not bekämpfte die Schlachtmaid ihre Wut. »Bitte«, sagte nur.

   »Was passiert bei eurem Kräftemessen? Ihr kämpft gegeneinander, richtig?«

   »Ja.«

   »Und wann ist der Kampf vorbei?«

   »Ja wenn … wenn … einer besiegt ist.«

   »Und wann ist man besiegt?«

   »Wenn … der andere … nicht mehr kämpfen kann«, antwortete Alena nachdenklich.

   Keal schloss kurz die Augen, holte Luft und versuchte es auf eine andere Weise: »Alena. Wenn ihr gegeneinander kämpft, geht es dann um Leben und Tod?«

   Die Schlachtmaid sah ihn verwirrt an. »Natürlich«, antwortete sie zögerlich.

   Der Dunkelelb ließ ihr noch etwas Zeit zum Nachdenken.

   »Also … eigentlich«, hängte sie dann an.

   »Wenn ihr auf Leben und Tod kämpft, wenn ihr eure Kräfte messt, wären dann noch viele von euch am Leben?«, fragte er weiter.

   Als sie schwieg, beantwortete er selbst seine Frage: »Nein. Ihr würdet euch gegenseitig ausrotten. Bis keiner mehr von euch am Leben wäre. Bei uns nennen wir das Trainingskämpfe. Und auch wir nutzen dort stumpfe Waffen. Eben damit wir uns nicht selbst vernichten.«

   »Aber … das ist gegen unsere Gesetze«, erwiderte Alena.

   »Ich kenne eure Gesetze nicht, aber ich bin sehr sicher, dass dort nicht steht: In Trainingskämpfen wird auf Leben und Tod gekämpft.«

   »So direkt … nicht.«

   Keal lächelte.

   »Du fühlst dich jetzt wohl sehr überlegen, was?«, fragte Alena ihn und funkelte ihn ärgerlich an.

   »Nein. Aber ich hoffe, du verstehst jetzt, warum eure Waffen nicht scharf sind.«

   Die Schlachtmaid sah ihn nachdenklich an. »Na schön«, gab sie dann zu, »du hast ja Recht. Wahrscheinlich hat das schon seinen Sinn.«

   Plötzlich schlug sie sich mit der Hand an den Kopf. »Rega! Verdammt. Die habe ich ja völlig vergessen.«

   Dann rannte sie auf ihr Pferd zu und sprang in den Sattel.

   »Was ist? Kommst du?«

   Keal sah sie verwirrt an. »Was meinst du?«

   »Ich kann dich schlecht hier allein lassen. Du bringst es fertig, auf den nächsten Narg´ut zu treten und im Bauch eines Sandmorgs zu landen.«

   »Danke für dein Vertrauen«, schmollte der Dunkelelb.

   Sie lachte, dann sagte sie: »Los, rauf mit dir.«

   Verwundert sah er sie an.

   »Was ist? Brauchst du eine Aufsteighilfe?«, stichelte Alena und kicherte.

   »Pah«, entgegnete Keal und schwang sich hinter sie in den Sattel.

   »Festhalten!«, rief ihm die Schlachtmaid zu und der Elb schwang die Arme um ihre Hüften.

   Kurz zuckte sie zusammen. Doch dann trat sie Shrak in die Seiten und sie preschten dem Treffen mit Rega entgegen.

Ende

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